Donnerstag, 9. Oktober 2014

Auf Wiedersehen, liebe Moral!

Hört, hört, es ist soweit,
die Menschheit ist am Gipfel der Eitelkeit,
vorbei ist die Güte und all die Liebe,
hip sind jetzt Gangster und Diebe,
wir vertrauen unser Leben nur noch Twitter und Facebook an,
ansonsten darf keiner an uns ran,
es ist uns so was von egal, ob legal oder nicht,
Hauptsache wir langweilen uns nicht,
lasst uns einfach die Muslime beschuldigen und für all das Übel dieser Welt verantwortlich machen,
die Bärte und Kopftücher auslachen,
dadurch lassen sich nämlich die eigenen Fehler sehr gut kompensieren,
da sagt doch einer, wir hätten keine Manieren!,
auf der anderen Seite verbieten wir amerikanische Produkte, um uns zu rächen,
diese Amerikaner, die alle moralischen Regeln brechen,
und dann noch diese Flüchtlinge aus dem Osten,
die uns viel zu viel kosten,
das Geld wächst ja wohl nicht an Bäumen,
diese Tatsache muss man einräumen,
wir sind inzwischen zu Arbeitstieren geworden und merken es irgendwie nicht,
unseren Kindern servieren wir lieber ein Tiefkühlgericht,
wie sie ihre Freizeit verbringen ist weitestgehend irrelevant,
Hauptsache unsere Position und unser Besitz wird anerkannt,
irgendwann sitzen wir dann möglicherweise im Altersheim und warten,
Warten, weil wir nichts für unsere Kinder taten,
doch halb so schlimm, denn die Menschheit hat etwas erreicht,
auch wenn im Gegenzug all die Moral entweicht.

Samstag, 4. Oktober 2014

Wirklichkeit und Wahrheit

"Nur durch Gesetze wird der Mensch nicht besser", sagte Nasrudin zum Sultan. 'Um in Einklang mit innerer Wahrheit zu stehen, muss er bestimmte Dinge in die Praxis umsetzen. Und die innere Wahrheit besitzt nur wenig Ähnlichkeit mit oberflächlicher Wahrheit.' 
Der Sultan war jedoch überzeugt, er könne die Menschen dazu bringen, die Wahrheit zu erkennen und aufrichtig zu sein. Auf der Brücke, die zum Stadttor führte, ließ er einen Galgen errichten. Am nächsten Tag, als sich im Morgengrauen die Tore öffneten, stand der Wachhauptmann mit seinen Leuten bereit, um alle, die in die Stadt wollten, zu examinieren.
Man gab bekannt: 'Jedermann wird befragt. Wer die Wahrheit spricht, darf die Stadt betreten. Lügner werden gehängt.' 
Nasirudin trat vor.
'Wohin gehst du?'
'Ich bin auf dem Weg', sagte Nasrudin gelassen, 'um gehängt zu werden.'
'Das ist nicht wahr.'
'Nun gut, wenn ich lüge, müsst ihr mich hängen.'
'Aber wenn wir dich hängen, weil du gelogen hast, haben wir deine Worte in Wahrheit verwandelt!'
'Genau: Jetzt wisst ihr, was die Wahrheit ist - eure Wahrheit.' "*




*Fischer, Ron (1998): Also sprach Mulla Nasrudin. Ventura Publisher: München.